Willkommen Wolf!

Informationsveranstaltung

Wolf mit Welpen
Foto: Günther Oberländer

Unsere erste große Informationsveranstaltung war so gut besucht, dass wir davon absolut überrascht waren!

Die Brisanz des Themas lockte viele Interessierte aus ganz Hessen in unser kleines Bergdorf.

 

Wir möchten uns bei allen für die rege Beteiligung an der Diskussion bedanken. Und natürlich vor allem bei Frau Ingeborg Till vom NABU. Ihr informativer Vortrag konnte viele Missverständnisse aufklären...

 


Der Wolf kehrt zurück - auch nach Hessen

 

Rund 100 Jahre nach seiner Ausrottung in Deutschland kehrt der Wolf zurück, auch nach Hessen. Ein knappes Jahrhundert hatte der Mensch in Deutschland Ruhe vor dem Wolf. Am 27. Februar 1904 war in der Lausitz das letzte frei lebende Exemplar erschossen worden. Ende der 1990er-Jahre tauchte der Wolf genau dort wieder auf. Seither breitet er sich vom Osten in Richtung Westen aus.

 

Die historische Ausrottung in Hessen:

 

Im Taunus wurde der letzte Wolf 1841 erlegt. Das war im Brandoberndorfer Wald bei Hasselborn (Lahn-Dill-Kreis). Das Tier wurde präpariert und fristet heute sein Dasein im Arsenal des Landesmuseums Wiesbaden. Im selben Jahr soll auch bei Lorsch (Kreis Bergstraße) ein Tier gestorben sein. Offenbar die letzten Wölfe, die auf dem Gebiet des heutigen Hessen erlegt wurden.

 

Chronologie der Wölfe in Hessen:

 

Bereits in den achtziger Jahren gab es Hinweise auf ein wolfsähnliches Tier im Taunus, das dann schließlich bei Bad Camberg (Kreis Limburg–Weilburg) erlegt wurde. Seine Artzugehörigkeit ist bislang ungeklärt. Am Edersee konnte 1994 ein Wolf gefilmt werden, der auch deutliche Trittsiegel hinterließ. Im Januar 2011 wurde schließlich im Umland von Gießen ein Wolf fotografiert, der von einem Fahrzeug angefahren worden war. Im Reinhardswald bei Kassel erfreute sich der Wolf „Reinhard“ fünf Jahre lang großer Beliebtheit bei der Bevölkerung. Trotz seiner gelegentlichen Übergriffe auf Nutztiere. Forstleute und Spaziergänger bekamen ihn relativ häufig zu Gesicht. Im April 2011 wurde er verendet gefunden.

Im Main-Kinzig-Kreis wurde im Januar 2012 ein Tier beobachtet, das seinen rechten Hinterlauf nachzog. Die Beschreibung erinnerte an jenen verletzten Wolf, der ein Jahr zuvor im Landkreis Gießen fotografiert wurde. Ein Video und etliche Fotos, die im Februar 2012 im rheinland-pfälzischen Westerwald gelangen, dokumentierten ein ähnlich aussehendes Tier, das ebenfalls „hinten rechts“ hinkte. Dieser Wolf wurde Ende April 2012 bei Hachenburg (RLP) von einem Jäger erschossen. Die DNA-Analyse ergab, dass er tatsächlich jenes Tier war, das 2011 bei Gießen angefahren wurde.

Im März 2015 wurde auf der A66 bei Bad Soden-Salmünster (Main-Kinzig-Kreis) eine tote Wölfin gefunden. Das Tier gehörte zur „mitteleuropäischen Tieflandpopulation“, kam also aus dem deutschen Verbreitungsgebiet oder aus Westpolen.

Im April 2015 wurde dann erneut ein Wolf überfahren. Diesmal auf der A661 im Frankfurter Stadtgebiet. Das männliche Tier stammte aus dem Landkreis Lüchow-Dannenberg (Niedersachsen). Es war ein Nachkomme des „Gartower Rudels“, das dort seit 2013 nachgewiesen ist.

 

Wolf und Mensch:

 

Der Wolf ist kein Kuscheltier, er ist ein Raubtier. Über Jahrhunderte teilten Wolf und Mensch denselben Lebensraum, jagten dieselben Beutetiere und waren sich in ihren Jagdstrategien und ihrer sozialen Organisation sehr ähnlich. So entwickelten sie ein besonderes „Verhältnis“ zueinander. Jägern und Sammlern war der Wolf so etwas wie ein „Bruder“. Ackerbauern und Viehzüchtern wurde er zum Feind und zur Verkörperung des Bösen schlechthin. Die lange gemeinsame Geschichte erklärt die gewaltige Resonanz, auf welche die Rückkehr der Wölfe in Deutschland stößt.

 

Wolf gesehen, was tun?

 

Derzeit werden alle Hinweise auf mutmaßliche Wölfe bei der Naturschutzabteilung des Hessischen Landesamts für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) gemeldet. Dort werden sie von der hessischen Wolfsbeauftragten Susanne Jokisch überprüft und bewertet.

 

Stellen Wölfe für den Menschen eine Gefahr dar?

 

Gesunde Wölfe, die nicht provoziert werden, stellen in der Regel keine Gefahr für den Menschen dar. Wenn man einem Tier begegnet, verhält man sich am besten ruhig und zieht sich langsam zurück.

 

Im Folgenden sind ein paar Verhaltensregeln aufgeführt, die vom Alaska Department of Fish and Game im Dokument "Wolf Safety in Alaska - Living safely in wolf country" veröffentlicht wurden:

 

  •  Rennen Sie nicht weg! Machen Sie einen forschen Schritt auf ihn zu und brüllen / schreien Sie laut oder klatschen Sie laut in die Hände, wenn der Wolf versucht sich zu nähern.
  • Drehen Sie einem aggressiven Wolf nicht den Rücken zu, sondern starren Sie ihn ununterbrochen direkt an. Sollten Sie in Begleitung sein und auf mehr als einen Wolf treffen, dann stellen Sie sich Rücken an Rücken und entfernen Sie sich langsam von den Wölfen.
  • Ziehen Sie sich langsam zurück, während Sie den Wolf ansehen und verhalten Sie sich aggressiv.
  • Halten Sie die Stellung, wenn ein Wolf Sie angreift, und kämpfen Sie mit allen Mitteln, die Sie zur Verfügung haben (Stöcke, Steine, Ski-Stöcke, Angelruten oder was immer Sie finden können).
  • Klettern Sie auf einen Baum, wenn es nötig ist. Wölfe können nicht auf Bäume klettern.

 

Noch einige Tipps für Hundebesitzer:

 

Hunde können von Wölfen als Eindringlinge in ihr Revier angesehen und angegriffen werden. Hunde daher anleinen oder nur im engen Einwirkungskreis des Besitzers führen. Dennoch kann es sein, dass der Wolf sich dem Hund nähert und den Besitzer völlig ignoriert. In einem solchen Fall rückwärts gehen, den Wolf durch lautes Rufen und Gestikulieren auf sich aufmerksam machen und ggfs. mit Gegenständen werfen.

 

Unterschied Wolf - Hund:

 

Ähnliches Fell, vergleichbare Größe und sich ähnelnde Bewegungsabläufe: Manche Hunderassen sind nur schwer von Wölfen zu unterscheiden. Vor allem Wolfshunde sind ihren wildlebenden Verwandten äußerst ähnlich. Gewissheit bringen oft nur DNS-Analysen.

 

Als „Wolfshunde“ bekannt sind vor allem die Rassen Tschechoslowakischer Wolfshund und Saarlooswolfshund. Sie sind bei uns beliebt, weil sie dem Wolf sehr ähnlich sehen: Sie haben ein ähnliches Fell, eine vergleichbare Größe und bewegen sich auch ähnlich wie Wölfe. Ein zweifelsfreies Unterscheidungsmerkmal gibt es nicht. So können auch Experten die Tiere oft nur unterscheiden, wenn das Tier still steht oder im richtigen Licht fotografiert wurde. Wolfshunde erfreuen sich zunehmender Beliebtheit: 2013 wurde in Deutschland von etwa 1400 Tieren, Tendenz steigend, ausgegangen.

 

Welche Merkmale unterscheiden sie letztlich?

 

Wölfe tragen ihren Schwanz fast immer gerade herunterhängend, während bei Hunden sehr oft der gehobene oder gar sichelartig gebogene Schwanz zu sehen ist. Jedoch ist dies eine Ausdrucksform. Die Hinterpfoten setzt der Wolf auf die Spur der Vorderpfoten, der Hund seine Hinterpfoten zwischen die Spur der Vorderpfoten. Die Unterschiede zwischen Wolf und Hund liegen vor allem bei den Schädelmerkmalen. Der Augenhöhlenwinkel beträgt beim Wolf 40 bis 45 Grad, beim Hund 53 – 60 Grad. Das Volumen der Gehirnkapsel ist beim Wolf wesentlich größer. Der Unterkiefer des Wolfes ist schmaler als der des Hundes und die Zähne stehen enger zusammen. Die Schnauze ist insgesamt länger. Die stets aufrechten Ohren sind in der Regel kleiner als die von Haushunden.

 

Sonstige Unterschiede:

 

Wölfe können einmal im Jahr Nachwuchs bekommen, Hunde zweimal. Hunden kann man Aufgaben antrainieren, die sie mit der Zeit auch ohne Belohnung erledigen. Wölfe kann man auch trainieren, sie erfüllen ihre Aufgaben aber nur gegen Belohnung und lassen sich leicht ablenken.

 

Wolf und Nutztiere:

 

Wölfe ernähren sich zu rund 99% von Wildtieren wie Rehen, Wildschweinen, Damwild, Rotwild und anderen. Nicht ausreichend geschützte Nutztiere machen mit ca. 1% der Nahrung nur einen sehr geringen Anteil aus.

Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Senckenberg Forschungsinstitutes in Görlitz nach Auswertung von über 3000 Kotproben. Solange Schafe und Co. gut geschützt werden und es genug Auswahl unter den Wildtieren gibt, gehen Wölfe nicht die Gefahr ein, mit Elektrozäunen oder Herdenschutzhunden konfrontiert zu werden. Es gibt daher keinen Grund zur Beunruhigung oder gar Angst.

 

Ausblick:

 

Von einer für einen stabilen Wolfsbestand notwendigen Mindestzahl von 1000 Tieren sind wir derzeit in Deutschland noch weit entfernt. Aber schon jetzt wird von Wolfsgegnern Angst geschürt und Panik verbreitet.

Der Wolf, einst Bewohner fast der gesamten Landmasse der Nordhalbkugel, weist heute größere Bestände nur noch im nördlichen Nordamerika und im Gebiet der ehemaligen Sowjetunion auf.

 

Betrachtet man die Geschichte der Wiedereinwanderung von Wölfen in das Nachkriegsdeutschland, so ist das eine Geschichte der Wolfsabschüsse! Bis 1990 wurden in Deutschland mindestens 21 Wölfe geschossen oder mit Fallen gefangen. Das sind die bekannten Fälle. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher sein.

Wo immer sich noch heute Menschen aus langer Tradition mit frei lebenden Großraubtieren arrangieren und unter Lebensgefahr oder mindestens Gefahr für ihre Haustiere existieren, sollte man das bewundern. Wir jedenfalls müssen das erst wieder lernen und stehen damit ganz am Anfang.

 

Um die derzeit noch in weiten Teilen der Bevölkerung bestehende Akzeptanz gegenüber dem Wolf zu erhalten, ist eine bessere Informations- und Öffentlichkeitsarbeit nötig. Landwirte sollten unterstützt und deren Sorgen ernst genommen werden. Wir müssen aber auch lernen, was die Präsenz des Wolfes in der Landschaft für unser Verhalten bedeutet. In Griechenland gibt es eine verpflichtende Steuer, mit der durch Wölfe verursachte Schäden finanziert werden. Ist die Ausweisung einer „Wolfssteuer“ für die gesamte Bevölkerung denkbar? Da die breite Mehrheit der Bevölkerung derzeit für die Rückkehr der Wölfe ist, sollte sie auch die Verantwortung dafür tragen.

 

Und so bleibt als Schlusswort ein Zitat aus dem Roman „Bruder Wolf: Das vergessene Versprechen“:

 

„Wir dürfen niemals vergessen, dass ein Wolf dasselbe will wie wir: Nahrung, Raum, Frieden, soziale Ordnung und eine gesunde Umwelt zum Leben.“ 

 

(Text: Bernd Baumann)